F.A.Z. Natur und Wissenschaft Mittwoch, 08.10.1997,
S. N1 / Nr. 233

Feuer vernichten Tropenwälder

Regeneration nur bei umsichtiger Brandrodung / Minderwertige Gräser verdrängen Bäume

Seit vielen Wochen liegt dichter Rauch über Südostasien, weil auf Sumatra und in Kalimantan die Wälder brennen. Die verhängnisvolle Rauchglocke ist sicht-und spürbares Zeichen einer Form der Landnutzung, deren verheerende Folgen sich vor allem in den Jahren des El Niño zeigen. Diese periodisch auftretende Witterungsanomalie mit erhöhten Wassertemperaturen im östlichen Pazifik beschert Nord- und Südamerika mehr Regen, Australien und dem südlichen Asien dagegen extreme Trockenheit - und in diesem Jahr die schwerste Dürre seit einem halben Jahrhundert. Allzu leicht nur geraten dann jene Feuer außer Kontrolle, welche den Bauern frisches Ackerland und den großen Landbesitzern Raum für Plantagen schaffen sollen.

Neu ist dieses Phänomen nicht. Im Jahr 1982 war El Niño beispielsweise besonders heftig, und schon damals ging die Rede von der Jahrhundert-Trockenheit. Weitere Episoden folgten in den Jahren 1987, 1991 und 1994. Stets waren damit verheerende Waldbrände verbunden. 1982 gingen in Ostkalimantan etwa 3,5 Millionen Hektar, auf Borneo insgesamt mehr als 5 Millionen Hektar Wald in Flammen auf. Damals war das Interesse der Öffentlichkeit allerdings vergleichsweise gering, einige Forschungsprogramme indes kamen in der Folgezeit zustande. So ist unter anderem die dem Max-Planck-Institut für Chemie in Mainz angegliederte Freiburger Arbeitsgruppe Feuerökologie unter Leitung des Forstwissenschaftlers Johann Georg Goldammer seit 1985 in Indonesien tätig.

Zunächst betrieb man dort vorwiegend Grundlagenforschung. Deren Ergebnisse führten unter anderem zu der provokanten These, daß selbst der Tropenwald vielerorts kein unberührtes Paradies mehr ist. Wie in anderen Breiten auch, so stellten die Freiburger Forscher fest, wurde die Pflanzendecke vielmehr seit alters her durch natürliche oder vom Menschen gelegte Brände geprägt. Das gilt vor allem für jenen Teil der Tropen, in dem es regelmäßige oder periodische Trockenzeiten gibt und die Bäume Laub abwerfen, das das Feuer nährt. Zu diesen Pflanzen zählen die Dipterocarpazeen, mit einer Vielzahl von Arten die beherrschende Gattung im asiatischen Raum. Mit ihrer dünnen Rinde sind sie extrem empfindlich gegenüber Feuer. Dennoch kann sich der Wald von den Folgen eines Brandes erholen. Löcher schließen sich indes nur langsam, denn die Samen der Dipterocarpazeen sind zwar mit Flügeln ausgestattet, werden aber wegen ihres großen Gewichtes nicht weit getragen. Wenn die zerstörten Flächen klein und die Zeiträume der Erholung ausreichend lang sind, stellt sich aber der vermeintliche "Urwald" wieder ein.

In stärker gelichteten Wäldern indes breiten sich Gräser aus. In Südostasien ist es vor allem eine Art mit Namen Imperata cylindrica oder Alang-alang. In trockenen Zeiten bieten seine verdorrten Halme dem Feuer reichlich Nahrung, es brennt immer heftiger und häufiger, bis schließlich nur noch minderwertiges Grasland übrigbleibt. Allein im einst so waldreichen Indonesien sind nach neueren Schätzungen inzwischen rund 50 Millionen Hektar Fläche mit derartigem Grasland bedeckt, einer extrem artenarmen und unproduktiven Pflanzengesellschaft, in der es nun fast jährlich brennt.

Die Waldbestände des Landes jedoch sind in den vergangenen dreißig Jahren dramatisch geschrumpft. Mit dem Verlust des Waldes aber geht - wie in allen tropischen Ländern - ein Verlust an Nährstoffen einher, die mit dem Rauch fortgetragen oder von den nächsten heftigen Regenfällen ausgewaschen werden. Zugleich wächst die Gefahr der Erosion.

Die Gründe für diese beunruhigende Entwicklung sind nur zum Teil den Bauern anzulasten, die auf traditionelle Weise Brandrodung betreiben. Die Dayak beispielsweise, die auf Borneo zu Hause sind, gehen seit alters her dank langer Erholungszeiten behutsam mit dem Feuer um. Mit steigendem Bevölkerungsdruck indes werden die Brandflächen größer, die Erholungszeiten geringer, die Wälder schließlich völlig zerstört. Zudem haben die "Transmigranten", die von der völlig übervölkerten Insel Java nach Borneo umgesiedelt wurden, nicht in gleicher Weise den Umgang mit Feuer gelernt - und vielleicht auch wenig Interesse an der Erhaltung der Wälder, die für sie vor allem düster und feindlich sind, ein Hort von Zecken und anderem Ungeziefer. Freudig nutzen manche von ihnen deshalb die Trockenheit des El Niño, die ihnen das sonst oft mühsame Brennen erleichtert.

Noch verheerender wirkt sich vermutlich ein ehrgeiziges Projekt der indonesischen Regierung aus, das vorsieht, jedes Jahr auf 500000 Hektar neue Plantagen zu schaffen. Zunächst entnimmt man dem Tropenwald die wertvollen Hölzer und verbrennt sodann den hinderlichen Rest, um auf den frei gewordenen Flächen Kokospalmen, Gummibäume oder Industrieholz anzupflanzen. Nach den letzten folgenreichen Feuern, von denen im Jahr 1994 in Indonesien mehr als fünf Millionen Hektar Land betroffen waren, hat die Regierung im Jahr 1995 zwar die Brandrodung zur Anlage von Plantagen verboten. Alternativen sind aber nicht bekannt - und das Plantagen-Programm hat noch immer Bestand. Auch jetzt, so vermuten die Fachleute, dürfte der größte Teil der Feuer von den Plantagenbesitzern oder Konzessionären bewußt entfacht worden sein. Nach Ankündigungen der Regierung müssen sie nun allerdings mit Strafen rechnen. Um künftig zu verhindern, daß die Menschen in benachbarten Staaten unter den Folgen der Brandrodung leiden, muß vor allem die Politik...

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geändert werden. Dies haben die Teilnehmer einer Konferenz der Asean-Staaten, die sich mit Fragen der grenzüberschreitenden Luftverschmutzung durch Feuer befaßte, schon im vergangenen Dezember in Kuala Lumpur als vordringliches Ziel gezeichnet. Die Bekämpfung der Ursachen erschien Wissenschaftlern und Praktikern wichtiger als zusätzliche Investitionen in die Brandbekämpfung. Es gibt bereits einige Programme, die dazu beitragen sollen, das Feuer nicht ganz zu bannen, aber langfristig vorsichtiger damit umzugehen.

So betreibt die Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ) mit fachlicher Beratung der Freiburger Feuerökologen ein Pilotprojekt im östlichen Kalimantan, die Europäische Union ein ähnliches auf Sumatra und die Japaner im Westen Kalimantans. Stets geht es dabei um die Frage, wie man das Feuer auf verträgliche Weise nutzen, Katastrophen aber verhindern und den Wald tatsächlich schützen kann. Ausbildung der örtlichen Bevölkerung und Änderung ihrer Gewohnheiten erscheint den Leitern der Projekte dabei wichtiger als neue Polizei-Vorschriften der noch nicht sehr entwickelten Forstverwaltung. Moderne Verfahren der Fernerkundung und Überwachung mit Satelliten und Kommunikationssysteme für die Feuerwehr gehören indes zu solchen "integrierten Programmen" ebenfalls dazu. Langsam nur greifen solche Programme, doch daß sich auf solche Weise tatsächlich etwas bewirken läßt, zeigt das Beispiel Thailand. Dort wurden zu Beginn der siebziger Jahre jährlich mehr als 18 Millionen Hektar Wald durchbrannt. Heute brennt nur noch knapp ein Zehntel davon - und die Artenvielfalt nimmt wieder zu.

Die regionalen und überregionalen Folgen der Brände in Südostasien wollen die Freiburger Feuerökologen im internationalen Verbund jetzt ebenfalls erforschen. Seafire (South East Asian Fire Experiment) heißt das Projekt, mit dem die Rolle der Feuer in der Region mit den höchsten Temperaturen des Meeres, die für das globale Klima zweifellos von Bedeutung ist, untersucht werden soll. CAROLINE MÖHRING

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