Seit der Radaraufnahme des ERS-2 am 8. Oktober (s. Teil 1) waren auf Grund der Umlaufbahn des
Satelliten 12 Tage lang keine Aufnahmen mehr verfügbar. Im Zeitraum zwischen dem 20. und 26.
Oktober überflogen ERS-1 und ERS-2 das Eruptionsgebiet mehrmals im Abstand von jeweils
einem Tag.
Während der Spätphase der Eruption und nach ihrem Ende hat sich das horizontale Ausmaß der
Einsenkung im Gletschereis stark vergrößert. Ein Grund hierfür dürfte zum einen sein, daß die
Spalte an ihrer Basis wesentlich breiter war als an der Eisoberfläche, und daß nun das benachbarte
Eis in diesen Raum hineinbricht. Zum anderen werden die 400-600 m hohen die Spalte
begrenzenden Eiswände durch die dahinterliegenden Eismassen von beiden Seiten in die Spalte
hineingedrückt und werden diese vermutlich in relativ kurzer Zeit schließen.
Am Nordende des Eruptionsgebietes hat sich der eingesunkene und von Spalten durchzogene
Bereich, der am 8. Oktober eine Breite von 2,1 km besaß, bis zum 21. Oktober auf 5 km erweitert.
Die Breite und Länge der nun von Wasser erfüllten Spalte hat sich nur wenig verändert: Die
durchschnittliche Breite beträgt 400 m und die Länge 3,6 km. Die Gesamtlänge des von der Eruption
betroffenen Bereiches beträgt 10,5 km.
In dem abgebildeten Ausschnitt von ca. 19 x 29 km sind drei Phänomene erkennbar:
1. Im Zentrum ist birnenförmig das unmittelbare Vulkanausbruchgebiet erkennbar.
2. Südlich davon liegt die Grimsvötn Caldera, in der das sich sammelnde Schmelzwasser zu einer
Anhebung des Eisdecke führt.
3. Nördlich des unmittelbaren Eruptionsgebiets ist eine kleine neu entstandene Senke zu sehen.
Zur Erzeugung des Interferogramms wurden zwei Aufnahmen verwendet, die ERS-1 und ERS-2 in einem Abstand von 1 Tag lieferten. Änderungen der Erdoberfläche in dieser Zeit, die unregelmäßig und größer als die Wellenlänge des verwendeten Radaraufnahmesystems (5.6 cm) sind, stören eine geschlossene Form der sog. Fringes.
zu 1.: Daher sind in der an die wassergefüllte Spalte angrenzende Absenkungszone keinerlei Fringes
erkennbar. Durch Absinken und Nachdrücken des Eises ist der gesamte Bereich auch innerhalb des
Aufnahmezeitraums von 24 h noch stark in Bewegung.
Die Absenkungszone besitzt eine Fläche 46 km2 mit einer Länge von 9,6 km und einer maximalen
Breite von 6 km in ihrem nördlichen Bereich. Zwischen dem 8. Okt. und dem 21. Okt. hat sich
besonders der nördliche Teil stark um ca. 2 km jeweils nach Osten und Westen und ca. 700 m nach
Norden ausgedehnt.
Die zwischen dieser großräumigen Senkungszone und der subglazialen Wasserfläche der Grímsvötn
Caldera befindliche schmale Rinne mit einer Länge von ca. 2 km und einer Breite von 800 m ist eine
Einsenkung über dem Abflußtunnel der Wassermassen in die Caldera.
zu 2.: Beim Erscheinungsbild der Grimsvötn Caldera sind zwei Effekte zu beachten. Zum einen
bewirkt das Anheben der Eisdecke durch den Anstieg des Wasserspiegels ein Aufwölben des Eises.
An den Berührungsflächen zum umgebenden "Festeis" kommt es innerhalb kurzer Zeiträume (24
h) zu Brüchen, Stauchungen und Spaltenbildung. Dies hat einer Störung der Fringelinien zur Folge.
Zum anderen wird der Zentralbereich des Eisdecke angehoben und ev. verkippt. Erfolgt diese
Bewegung zwischen den beiden Aufnahmen, erzeugt sie zusätzliche Interferenzlinien.
Im Interferogramm ist außerdem die Umrißlinie des subglazialen Sees unter der Eisdecke der
Grimsvötn Caldera gut erkennbar. Die Flächenkalkulation ergibt mit 47 km2 einen Wert, der nur
minimal von dem aus der Szene vom 21. Oktober errechneten Wert von 45 km2 abweicht.
zu 3.: In der nördlichen Fortsetzung der Linie Grímsvötn Caldera / Loki-Rücken ist auf dem
Süd-Westrand des subglazialen Bárdabunga-Zentralvulkanes eine aus den bisher vorliegenden
Berichten noch nicht bekannte Einsenkung erkennbar. Sie hat eine Länge von 2,6 km, eine Breite
von 1 km und dehnt sich in Ost-West-Richtung aus. Diese Einsenkung liegt an einer Stelle, an der
die Mächtigkeit der Eisdecke - über einer Erhebung des subglazialen Reliefs auf eine Höhe von
1500 m - auf 200 m zurückgeht. In solchen Bereichen ist sublaziale Aktivität schneller an der
Oberfläche erkennbar. Daher ist anzunehmen, daß es auch an dieser Stelle zu einer, wenn auch
schwächeren, Eruption kam.
Diese Depression liegt im Wassereinzugsgebiet des nach Norden entwässernden Gletscherflusses
Jökulsá á Fjöllum. Die in diesem Bereich verhältnismäßig geringe Eismächtigkeit und starkes
Gefälle ermöglichen einen schnelleren Abfluß des Schmelzwassers als im südlichen
Grimsvötn-Gebiet. Das Nordic Volcanic Institute verzeichnete am 23. Oktober erhöhte CO2- und
SO2-Werte in der Jökulsá á Fjöllum. Daher wurde das Wasser als bei subglazialer eruptiver Tätigkeit
entstandenes Schmelzwasser indentifiziert (Nordic Volcanic Institute), das wahrscheinlich aus der
nun entdeckten Senke stammt.
Zwischen diesen beiden Senkungszonen liegt ein 5,2 km langer Eisbereich, in dem bisher keine
Veränderungen erkennbar sind. In diesem Bereich sinkt das subglaziale Relief von 1100-1200 m
- im Bereich des Loki-Rückens - auf bis zu 900 m ab, und die Eismächtigkeit wächst auf über 800
m an. Die obigen Beobachtungen lassen den Schluß zu, daß sich die aktive Spalte auch unter diesem
Bereich hindurch über eine Gesamtlänge von ca. 15 km zwischen dem Calderarand des Bardabunga
und dem Calderarand der Grímsvötn erstreckt.
Daß es in diesem Abschnitt der Eruptionsspalte noch zu keiner Absenkungkam ist durch folgendes
zu erklären: Nachdem sich die Eruption an der Stelle ihrer größten Intensität und relativ geringerer
Eismächtigkeit einen Weg durch die Eisdecke gebahnt hatte, konnten die vulkanische Gase und
Wasserdampf über diesen Weg entweichen. Nur durch Wärmeentwicklung war die Eruption in
dieser Zone der größten Eisdicke nicht in der Lage, die Stabilität des Eispaketes soweit zu
schwächen, daß es zu einer spontanen Absenkung der Eisdecke kam. Das unter dem Eis vermutete
Gewölbe ist gänzlich mit Schmelzwasser gefüllt. Durch den hohen Wasserspiegel (mindestens 1510
m) wird ein hoher Wasserdruck erzeugt, der zusätzlich stabilisierend wirkt. Es ist anzunehmen, daß
sich die Eisoberfläche in diesem Abschnitt nur langsam oder erst nach einer Absenkung des
Wasserspiegels durch einen Gletscherlauf senken wird.
- Um 8 Uhr kam eine Flutwelle unter dem Gletscher hervor, die den mittleren und östlichen Teil des Skeidarársandur 3-5 m hoch überflutete.
- Um 10 Uhr hatte die Flut in der Skeidará, dem östlichsten Entwässerungssystem des Skeidarárjökull bereits ein Volumen von 6000 m3/s erreicht. Die Ringstrasse war an mehreren Stellen stark beschaedigt. Gleichzeitig weitete sich der Gletscherlauf über die ganze Breite des Gletschers nach Westen hin aus.
- Um 13 Uhr hatte der Gletscherlauf bereits die ca. 600 m lange Brücke über den Gigjukvísl, die Hochspannungsleitung sowie ein im Boden verlegtes Glasfaserkabel zerstört. Die seismische Aktivität nahm weiter zu.
- Um 15 Uhr schätzten isländische Wissenschaftler die Abflussmenge bereits auf ein Volumen von 25000 m3/s. Die Brücke über die Skeidará war bis dahin bereits stark beschädigt und der Gesamtschaden wurde zu diesem Zeitpunkt auf einen Wert von 23 Mio. DM geschätzt. Eisblöcke mit einem Gewicht von bis zu 200 t wurden vom Wasser mitgerissen.
- Um 22:30 Uhr erreichte die Flutwelle ihren vorläufigen Höchststand mit ca. 45000 m3/s. Die seismische Aktivität blieb während der ganzen Nacht in etwa auf demselben Niveau.
- Am Morgen des 6 Nov. war die Flut deutlich zurückgegangen, zwei Brücken wurden total zerstört und die Brücke über die Skeidará beinahe irreparabel beschädigt.
- Im Verlaufe des Tages nahm die Flut weiterhin langsam ab und um ca. 13 Uhr kam es zu einer erneuten Eruption und eine Dampfwolke stieg auf eine Höhe von ca. 14000 Fuss.
Bereits zu Beginn des Gletscherlaufes waren vor der Südküste Islands fischende Schiffe angewiesen worden ihre Netze aufzuholen, da die großen Sedimentmassen zu unterseeischen Trübeströmen (Turbidity currents) am Hang des isländischen Schelfes führen können. Rutschungen dieser Art sind in der Lage, ein Schiff am Schleppnetz in die Tiefe zu reißen.
ERS-2 wird das betroffenen Gebiet am 7., 10. und 11. November überfliegen. Das DFD wird die Daten in seiner Empfangsstation Neustrelitz aufnehmen und die Ergebnisse anschließend über diese Homepage veröffentlichen.