Interview mit dem Vorstand der Bürgerinitiative Hallbergmoos-Goldach (BIF)
(Herr Jürgen Steiner)

Frage: Was ist das Anliegen der Bürgerinitiative?
Antwort:Die Bürgerinitiative BIF wendet sich gegen vermeidbaren Fluglärm (und andere vermeidbare Umweltbelastungen) am Flughafen. Wir sind keine Totalverweigerer des Flughafens (nachfolgend FH genannt), die aktivsten Mitglieder sind erst in die Umgebung des FH umgezogen, als dieser schon in Betrieb war. Trotzdem wollen wir Belastungen minimieren, insbesondere angesichts des stark steigenden Flugverkehrs in München. Die BIF hat sich in folgenden Arbeitskreisen organisiert, die auch die Schwerpunkte unserer Tätigkeit markieren:
- Ak Nachtflug (dem ich angehöre)
- Ak Südabflugroute (diese Abflugroute belastet Hallbergmoos-Goldach besonders stark)
-Ak Immissionen
- Ak Öffentlichkeitsarbeit.
Frage: Was hat die Initiative bis jetzt erreicht?
Antwort: Es ist uns gelungen durch Veranstaltungen und Pressearbeit
1. in der Öffentlichkeit ein Bewusstsein für die gegenwärtigen und kommenden Belastungen zu entwickeln, z.B. für die Belastungen durch die geplante Lockerung der Nachtflugregelung.
2. vielen Anwohnern, die gegen die Errichtung des FH gekämpft und verloren haben, das Bewusstsein zu vermitteln, dass sie nicht machtlos dem FH gegenüber stehen, sondern dass sie ihre Rechte wahrnehmen sollen, und dass dies Erfolg verspricht.
3. die Bürger aufzuklären, z.B. über die aktuelle Nachtflugsituation und die von der Flughafen München GmbH (FMG) beantragte Neuregelung
4. die Bürgermeister der um den FH liegenden Gemeinden durch Auswertung der von der FMG veröffentlichten Zahlen (die den Bürgermeistern/Gemeinden seit langem vorlagen) auf die Übertretung der geltenden Nachtflugregelung aufmerksam zu machen
5. durch eine Podiumsdiskussion mit einem der Geschäftsführer der FMG, einem Vertreter des Bayerischen Ministeriums für Wirtschaft, Verkehr und Technologie (das über das Luftamt Südbayern die Aufsichtsbehörde für den FH ist), einem Vertreter des Bayerischen Ministeriums der Finanzen (das für den Bayerischen Staat als Mehrheitsgesellschafter 51% der Anteile an der FMG hält) und anderen Vertretern der Politik das Thema Nachtflug sehr deutlich öffentlich zu diskutieren und in einer breiten Öffentlichkeit zu erschließen
6. dafür zu sorgen, dass die Wähler erkennen können, wie die gewählten Politiker zur Nachtflugregelung stehen - z.B. haben die SPD-Fraktion im Stadtrat von München und die SPD-Fraktion im Landtag genau gegensätzliche Standpunkte, die Grünen in den Landkreisen um den Flughafen teilen die Einstellung des Bundesumweltministers nicht
7. Missverständnisse zu Umweltbelastungen ("es läuft beim Betanken Kerosin ins Erdreich") durch Gespräche mit den verantwortlichen Stellen am FH auszuräumen und die Öffentlichkeit hierüber objektiv zu informieren (es läuft definitiv kein Kerosin aus). Wir sehen uns trotz aller Gegensätze zum FH auch als objektiver Mittler, der das Vertrauen der Bevölkerung genießt.

Zum Punkt 4 folgende Anmerkung:
Aufgrund der von der BIF aufbereiteten Zahlen über das tatsächliche Nachtflugaufkommen, das das von der Regierung von Oberbayern bzw. dem Bundesverwaltungsgericht erlaubten Nachtflugaufkommen weit übersteigt, hat die sog. "Schutzgemeinschaft Erding-Nord, Freising und Umgebung e.V." (ein Zusammenschluss von Umlandgemeinden um den FH und Privatpersonen) beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof Klage gegen den Bayerischen Staat auf Einhaltung der geltenden Nachtflugregelung erhoben. Die "Schutzgemeinschaft" hat im April 2000 diesen Prozess gewonnen. Der Bayerische Staat wurde verpflichtet, dafür zu sorgen, dass die Nachtflugregelung eingehalten wird. Aus technischen Gründen wurde die Einhaltung der Regelung im Gerichtsurteil erst ab dem 26.3.2001 eingefordert. Die Bayerische Staatsregierung hat versucht, beim Bundesverwaltungsgericht Revision gegen dieses Urteil einzulegen (juristisch genau: eine "Nichtzulassungsbeschwerde"), das Bundesverwaltungsgericht hat diese Beschwerde jedoch nicht angenommen.
Zu guter Letzt hat die BIF im November/Dezember 1999 eine große Aktion gegen eine von der FMG beantragte neue Nachtflugregelung gestartet. Zusammen mit den betroffenen Gemeinden und anderen Aktiven und Initiativen wurden ca. 28.000 offizielle schriftliche Beschwerden betroffener Bürger gegen die geplante Regelung gesammelt und der Regierung von Oberbayern übergeben. Die Bearbeitung der Beschwerden dort dauert noch an, über den Antrag der FMG ist bis jetzt noch nicht entschieden. Gegen die von der FMG beantragte neuen Nachtflugregelung wurden mehr Beschwerden erhoben als gegen den kompletten Flughafenbau! Siehe auch 6 (Lärmschutzwall).
Frage: Ab wann spricht man von Fluglärm, der störend ist?
Antwort: Lärm wirkt subjektiv störend. Damit gibt es keine objektiven Kriterien, ab wann (Flug-)Lärm störend ist. Es können zwei Menschen in einem Raum dasselbe Schallereignis vollkommen unterschiedlich wahrnehmen. Was den einen stört und "tierisch nervt", nimmt der andere erst bewusst wahr, wenn er darauf aufmerksam gemacht wird. Dies macht die Auseinandersetzung mit Lärm selbst für Professoren, die sich seit Jahrzehnten mit diesem Thema beschäftigen, so schwierig. Entsprechend weit gehen die Gelehrtenmeinungen auseinander. Es herrscht aber mittlerweile bei den Medizinern Einigkeit darüber, dass selbst im Schlaf Lärmereignisse wahrgenommen werden, ohne dass der Mensch aufwacht und dass eine regelmäßige entsprechende Belastung die Gesundheit nachhaltig schädigt. Eine empirische Studie an Kindern in der Umgebung des FH über mehrere Jahre stützt diese Lehrmeinung. Allerdings reagieren verschiedene Kinder auch unterschiedlich stark.
Frage: Gibt es Schutzmaßnahmen?
Antwort: Ja. Den am meisten belasteten Bürgern wurden vom FH Schallschutzfenster bezahlt. Bei einigen der am allermeisten belasteten Bürgern wurde sogar eine künstliche Belüftung in die Häuser eingebaut. Etliche Familien halten sich damit selbst im Hochsommer in geschlossenen Räumen auf, die künstlich belüftet werden! Ein Öffnen der Fenster ist wegen des Fluglärms, besonders in der Nacht, nicht mehr möglich.
Die wirksamste Maßnahme ist die Beschränkung des Nachtfluges, wie sie am FH München jetzt gültig ist, auch wenn in der Spitze über 100 Flüge pro Nacht abgewickelt werden.
Frage:Wieviele Fluglärm-Betroffene gibt es (ungefähr)?
Antwort:Schwierig zu sagen, da viele Betroffene sich aus verschiedenen Gründen nicht betroffen fühlen (siehe 3) oder nicht zugeben, dass sie Betroffene sind, da sie am FH, bei gewissen Behörden (die mit dem FH in Zusammenhang stehen) oder bei Fluggesellschaften angestellt sind. Im Prinzip sind mehrere zehntausend Bürger betroffen. Diese Zahl wird erheblich ansteigen, wenn, wie konkret zu erwarten ist, in Richtung Freising eine dritte Startbahn gebaut werden wird.
Frage:Wurden irgendwelche Krankheiten oder Spätfolgen für direkte Anwohner festgestellt?
Antwort:Ja, siehe 3 (Studie an Kindern). Generell steckt die Lärmforschung noch "in den Kinderschuhen", obwohl Verkehrslärm in Europa zu den häufigsten Umweltbelastungen zählt (z.B. auch Autolärm). Der Trend bei der Forschung ist, dass jüngere Studien die Belastungen durch Lärm wesentlich schwerwiegender einstufen als Studien, die vor mehreren Jahren erstellt wurden! Interessanterweise haben sich in Hallbergmoos Nord bei einer Umfrage durch die BIF viele FH-Anwohner über den Autolärm, der durch den Verkehr von/zum FH entsteht und durch Luftverschmutzung durch den Luftverkehr beschwert ("kann die Wäsche nicht mehr draußen zum Trocknen aufhängen, es ist zu schmutzig").
Die Gemeinde Hallbergmoos hat nach dieser Umfrage die Idee eines Lärmschutzwalls am Flughafen wieder aufgegriffen.

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