3.3    Soziale und psychische Effekte der Umsiedlung 

I.  Die offizielle Darstellung der Umsiedlung stellt die Modernisierungseffekte heraus: strukturell veraltete Dörfer werden in moderne Siedlungen umgewandelt, die heutigen Ansprüchen genügen: 

Verbesserter Standard der Gebäude: Zentral- statt Ofenheizung 
Breitere Straßen und Gehwege, mehr Platz für den ruhenden Verkehr 
Auslagerung des Durchgangsverkehrs 
Verbesserte Anbindung an städtische Zentren 
Keine störenden Emissionen, z.B. durch landwirtschaftliche Betriebe 

Befürwortet wird auch die möglichst geschlossene Umsiedlung, um die alte Dorfgemeinschaft zu erhalten. Insgesamt erscheint die Umsiedlung aus dieser Sicht (der Befürworter des Tagebaus) als eine gemeinsam lösbare Aufgabe. 

 

II.  Gegen diese Position werden folgende Kritikpunkte vorgebracht: 

Verlust immaterieller Werte: emotionaler Wert des alten Hauses, des Wohnumfeldes, der gesamten Ortschaft 
Keine Dorfgemeinschaft mehr am neuen Ort: durch die individuellen Umsiedlungsverhandlungen zerfällt die Solidarität unter den Umsiedlern 
Spaltung in Gegner und Befürworter der Umsiedler, die Letzteren sind u.U. bei RHEINBRAUN beschäftigt und fürchten um ihren Arbeitsplatz 
Nur 13 % der Nachbarschaften bleiben eher zufällig erhalten (entscheidend sind individuelle Bauwünsche) 
Auflösung der Nachbarschaften trifft v.a. Personen mit geringem Kommunikationsradius: Hausfrauen, ältere Menschen 
Wettstreit in der Selbstdarstellung, Aufkommen von Konkurrenz und Neid 
Differenzierung nach Altersgruppen: Umsiedlung bedeutet für Jüngere eher Neuanfang, z.T. auch sozialer Aufstieg,  
Ältere sehen primär den Verlust des räumlichen und sozialen Bezugssystems, übernehmen nur ungern Bauherrenrolle. 
Individuelle Entschädigungsverhandlungen sind schwierig bei Erbauseinandersetzungen, Belastung des Grundstücks  
Existenzsorgen für Gewerbetreibende und Landwirte. Gewerbetreibende sehen den Verlust von Kunden am Altort und 
fürchten die Konkurrenz durch das nahe Stadtzentrum am Neuort; die Landwirte haben Probleme bei hohem Pachtanteil. 
Frauen als mithelfende Familienangehörige oder als Beschäftige in örtlichen Dienstleistungen verlieren Job/soziale Stellung 
 

[Bearbeitung: Lutz Cloos, Florian Rücker, Christian Werner
Graphen nach Zahlen aus: W. Braun u.a., Braunkohlentagebau und Umsiedlung im Rheinischen Revier. Geostudien SF 3, Köln 1996, Seiten 170 und 172]

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