Vom Vergleichen im Unterricht

von R.Roseeu

I. Der Vergleich als methodisches Element im Fachunterricht

(Aus Robert Roseeu, Kopieren oder schöpferisches Gestalten In: BUS 21, S.32, ehemalige Zentralstelle für Computer im Unterricht, Augsburg 1991)
"Schulisches Lernen hat weitgehend seine Quelle im Nachahmen und vergleichenden Erkennen. Jeder verstandene Begriff, jede Aussage, jedes Gefühl ist an Vergleiche geknüpft, vor allem an den Vergleich mit bisherigen Vorstellungen und Assoziationen. Jedes Bewerten ist Ausdruck eines qualitativen oder quantitativen Vergleichens. Für den naturwissenschaftlichen Unterricht gilt wie selbstverständlich: Messen heißt Vergleichen. Aber auch alle anderen Wissenschaften kommen empirisch nur durch die Methode der Hypothesenprüfung weiter, das ist der Vergleich von Erwartung und Befund, "Soll und Ist". Lehren und Lernen des Vergleichens steht also als methodisches Prinzip hinter gutem, der Aufklärung verpflichtetem Unterricht.

Ein paar Unterrichtsziele, die ohne den Vergleich als methodisches Element nicht gelingen:
- Anbinden des Andersartigen und Unbekannten an das Bekannte,
- Veranschaulichen von Begriffen, Bezeichnungen, Problemen,
- Erschließen von Zusammenhängen, Regeln, Gesetzmäßigkeiten,
- Herstellen logischer Verknüpfungen zwischen räumlichen Strukturen (z.B. im Fach Erdkunde),
- Fördern des vernetzten Denkens,
- Entwickeln der Fähigkeit zur Kategorisierung, Typisierung, Abstraktion.

Eine Sensibilisierung des Schülers und das Trainieren des "Lernens durch Vergleichen" ist viel fundamentaler als diese Beispiele zum Ausdruck bringen. Es geht also im folgenden mehr um Erziehungsziele, als um eine formale Methodik des Unterrichts." (Siehe auch: Training des Wahrnehmungsvermögens)

II. Das Vergleichen in seiner Bedeutung für das Individuum
Ein Katalog von Fragen zur Sensibilisierung für das individuelle Lernvermögen

Schreiben Sie uns, wenn Sie Antworten auf eine der vielen Fragen haben!

Was geschieht eigentlich beim Vergleichen? Welche lernpsychologischen Besonderheiten sollte man als Lehrer berücksichtigen? Genaue Kenntnisse über die Psychologie des Vergleichens würde Ansatzpunkte für Lernhilfen bieten.

- Was macht das Auge, die Nase, das Ohr beim Vergleichen?
- Der Vergleich stehender Bilder: Wie erkennt man Unterschiede?
- Das bewegte Bild: Wie erkennt man Veränderungen?
- Was wird eigentlich vorrangig verglichen? Form oder Farbe oder Ton oder ...
- Wie wird bei Bild, Bewegtbild, Sprache, Musik verglichen?
- Wie arbeitet die 'Nachahmung'?
- Welches Gedächtnis leistet den Vergleich? Das digital-analytische oder das analog-ganzheitliche?
- Welche Rolle spielt die individuelle Vergangenheit? (Schulung, Wissen, Erfahrung, Erlebnisse, Teamarbeit, ...)
- Ist die Wahrnehmung das Vergleichen mit der persönlichen Vergangenheit?
- Welche Bedeutung hat das "methodische Vorbild" (konvergentes Handlungsmuster) für das nachvollziehende Vergleichen?
- Sind Vergleichen einerseits und Bewerten, Beurteilen, Gewichten andererseits Synonyme?
- Wie ist die individuelle Persönlichkeitsentwicklung mit der Fähigkeit sich in der Gruppe mit anderen vergleichen zu können verknüpft?
- Ist 'Bewerten' das 'Vergleichen mit dem individuellen Vorwissen' oder das Nachvollziehen von erlernten Verhaltensmustern?
- Ist der Vergleich das ausschließliche Werkzeug zur Vernetzung von Vorwissen und Vorerfahrungen?
- Ist der Vergleich ein brauchbares Werkzeug zur Datenreduktion bei der Informationsverarbeitung?
- Wie läßt sich das 'Vergleichen' als Schlüsselqualifikation messen?
- Ist die Bild- oder Textinterpretation nicht nur ein Sonderfall des Vergleichens eines gegebenen Bildes oder Textes mit imaginären Bildern oder Texten?
- Welche Rolle spielt die individuelle Handlungsorientierung beim Vergleichen? (Pixel zählen, Overlay-Skizze anfertigen, graphische Hervorhebung in Texten, ...)

III. Technische bzw. organisatorische Hilfen für das Vergleichen

Wie können Hilfen für ein aktives, d.h. handlungsorientiertes Vergleichen aussehen?
Was soll verglichen werden?

Möglichkeiten für den Vergleich ähnlicher Objekte:

- zwei Bilder nebeneinander: doppelter Mauszeiger zeigt auf zusammengehörige Stellen in beiden Bildern (z.B. Software zur digitalen Bildverarbeitung: PCI),
- mehrere Bilder hintereinander: 'Schauglas' läßt von einem Bild auf die ähnlichen Bilder durchschauen (z.B. CD-ROM Earth Scapes in Time),
- Strukturen in einem Bild nachzeichnen und auf ein anderes als Overlay legen,
- Erstellen einer Animation mit gleitenden Übergängen von einem zum anderen Bild über Morphing-Software (z.B. Sentfactor Morph). Der Schieber des Medienbetrachters erlaubt den Vergleich im Bewegtbild: Was ändert sich an welcher Stelle? Warum? Zusammenhänge, Ursachen müssen geklärt werden.

Die Bild- oder Textinterpretation hat nur ein Objekt für den imaginären Vergleich

- Erstellung eines Dossiers oder einer Multimediaeinheit mit Hyperlinks: Auswahl und Gestaltung der Hyperlinks aktivieren die Vorerfahrungen
- Ausgestaltung bzw. Fortsetzung eines gegebenen Objektes zur Einbindung der Vorerfahrungen: Ausgestaltung über eine Erzählung, Ergänzung eines Landschaftsbildes (wie könnte sich die Landschaft über den Bildrand hinaus fortsetzen?)

Für zwei wesensverschiedene Objekte wie Bild und Text, Film und Ton, Bild und Statistik

- Video ohne Ton, Ton ohne Video: Was paßt und was paßt nicht zusammen? Wie weicht die Vorstellung vom Original ab? Warum? Welche Rolle spielen Assoziationen?
- Kategorisierung über Begriffe, Schemata und Ablaufdiagramme hilft bei der Verknüpfung wesensverschiedener Objekte

Was steckt in einem Vergleich? Welche Verhaltensmuster müssen gefördert werden? (Siehe Wahrnehmung!)

- Das Erkennen von Strukturen, Begriffen und Kategorien,
- Das assoziative Zuordnen von Strukturen zu Begriffen und Kategorien,
- Das Bewerten von Strukturen, von Texturen,
- Die Frage nach dem Warum,
- Die abstrahierende Endbewertung als Form der Datenreduktion.

IV. Praktische Anregungen insbes. für den handlungsorientierten Unterricht

Interessante Aufgabenstellungen:

Interpretation: Begriffe erkennen und zuordnen
Interpretation: Dossier, Statistik, Text
Struktur- und Texturvergleich bei multispektralen Bilddaten
Struktur- und Texturvergleich bei multitemporalen Bilddaten
Der Vergleich eines Wettersatellitenbildes mit der Wetterkarte
Die Erarbeitung von Naturphänomenen über Animationen (Meteosat und Hurrican, NDVI und Frühjahrseinzug, SST und Meeresströme)
Video und Videovertonung - Wenn der Ton nicht zum Bild paßt
Die Erzählung zur Bildfolge und die Bildfolge zur Erzählung
Die kreative Fortsetzung eines Landschaftsfotos
Das digitale Höhenmodell beim Aufbau eines virtuellen Vergleichs heutiger Landschaft mit der eiszeitlichen Landschaft
Der zuordnende Vergleich: Das Satellitenbild im Atlas lokalisieren
Das Quiz: Ein Vergleich von Frage und Wissen


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