S506: Rondonia - Trial & Error im Regenwald
Siedlungsprogramme im brasilianischen Regenwald

1. Versuch auf terra-firme-Böden gescheitert: Transamazonia
"Voraussetzung für diese Umsiedlung waren der Bau der Transamazonica im Jahr 1970 und der Cuiaba-Santarem-Straße. Dieser Erschließung des Amazonaraumes vorausgegangen war bereits der Bau der Überlandstraße Belem-Brasilia (BR-010) im Jahr 1964, die die Mündungsregion des Amazonas mit der neuen Hauptstadt Brasilia verbindet. Schon im Verlauf der sechziger Jahre stieg die Bevölkerung im Einflussbereich dieser Straße auf zwei Millionen Menschen an.

Ursprünglich war ein 200 km breiter Korridor entlang der beiden Fernstraßen Transamazonica und Cuiaba-Santarem für Siedlungsprojekte reserviert, jedoch konzentrierte sich wegen der schlechten Bodenqualität in der Anfangsphase das staatliche Pilotprojekt auf ein 64 000 qkm großes Gebiet entlang der Transamazonica zwischen Rio Xingu und Rio Tapajos. 1973 wurde die ursprünglich vorgesehene Zahl der Umsiedler von einer Million auf 100 000 Familien reduziert, da ein Scheitern des Auswahlprinzips der Siedler, die schlechte Bodenqualität, ungeeignetes Saatgut und dadurch verursachte Missernten, zu optimistische Ernteprognosen, mangelhafte Organisation und Vermarktung, medizinische Probleme, wie die Ausbreitung von Malaria, und unkontrollierbare spontane Zuwanderungen einen Misserfolg ankündigten. Insgesamt konnten nur 7,5 Prozent der geplanten Zahl der Familien angesiedelt werden, von denen in einzelnen Regionen bis zu 37 Prozent abwanderten, weil diese Regionen nur schlecht für die Landwirtschaft geeignet waren. Die staatliche Umsiedlung entlang der Transamazonica wurde aus diesen Gründen eingestellt. Allerdings hält der Strom spontaner Zuwanderer, die sich ohne staatliche Unterstützung ansiedeln, noch an."

2. Versuch auf terra-roxa-Böden in Rondonia
"1986 eröffnete die Straße Cuiaba-Porto Velho (BR-364) das 243 000 qkm umfassende Staatsgebiet Rondonias für die Besiedelung. Damit verlagerte sich Mitte der siebziger Jahre der Schwerpunkt der staatlich gelenkten kleinbäuerlichen Kolonisation eindeutig nach Rondonia im südwestlichen Amazonien. Der jährliche Zuwandererstrom stieg von 3 000 während der sechziger Jahre auf das fünfzigfache in den achziger Jahren an. Während die ersten Siedler aus dem Südosten Brasiliens kamen, stellten später erfahrene Kleinbauern aus den Südstaaten (vor allem aus Parang) das Hauptkontingent. Zahlreiche Zuwanderer kamen auch aus den Staaten Mato Grosso, Minas Gerais sowie aus Espirito Santo und Sao Paulo. Im Verlauf der zweiten Hälfte der siebziger Jahre machte die Migration nach Rondonia einen Sprung nach oben. Einer der Gründe dafür war, dass sich die terra-roxa-Böden in einigen Gebieten entlang der Straße Cuiaba-Porto Velho als günstiger erwiesen als die terra-firme-Böden Zentralamazoniens in den Siedlungsprojekten entlang der Transamazonica.

Wichtigste Ursachen für den enormen Siedlerzustrom aus dem brasilianischen Süden waren die Expansion des mechanisierten Sojabohnen- und Weizenanbaus und zum Teil auch der Viehhaltung im Süden, und Frostschäden in den Kaffeeplantagen (und das Minifundien-Problem), was zu einem drastischen Verlust von Arbeitsplätzen in der Landwirtschaft führte.

Während die staatlich gelenkte Kolonisation entlang der Transamazonica in Form "integrierter Kolonisationsprojekte" geschah, die neben der Einwichtung von grundlegenden Infrastrukturen wie Straßen, Schulen und Gesundheitsdienst noch Anfangshilfen für Hausbau und anderes boten, wurde in Rondonia die Kolonisationsstrategie geändert: sukzessive wurden staatliche Vorleistungen verringert. Während die ersten Projekte noch mit voller (staatlicher) Unterstützung als integrierte Kolonisationsprojekte gegründet wurden, wurden von der Mitte der siebziger Jahre an für Projekte mit gelenkter Ansiedlung lediglich 100 Hektar Parzellen vermessen, die geplanten Infrastrukturen aber erst später eingerichtet. Als der Migrationsdruck auf die Landreserven Rondonias immer mehr zunahm, wurde von 1980 an die staatliche Hilfe auf die reine Verteilung von nur noch 50 Hektar großen Parzellen (...) reduziert. Wegen des Abbaus staatlicher Hilfen und der Besonderheiten des tropischen Waldgebietes (Malaria-Häufigkeit, Isolation vieler Kolonisten während der Regenzeit) verschlechtert sich die Lebenssituation der Kolonisten entlang der BR 364 zunehmend. Bis 1977 wurden 12 660 Menschen auf insgesamt 27 000 qkm Land angesiedelt, bis zum Jahr 1985 erhielten etwa 44 000 Familien in den verschiedenen (staatlichen) Projekten entlang der BR-364 Land."

Quelle: Deutscher Bundestag: Schutz der tropischen Wälder, Bonn 1990, S.256 ff

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