Synoptische Satellitengeographie
Vorüberlegungen zur Interpretation von Satellitenbildern

Die Vorteile, die man nutzen sollte.
- Die Beschränkung auf dominante Erscheinungen in einem Bild erlaubt die Reduktion auf wenige Kernthemen.
- Die Bildelemente im Satellitenbild dienen zuerst nur zur Anregung für eine (kreative) Interpretation, erst im zweiten Durchgang liefern sie Bestätigungen für die Interpretation.
- Die Abfolge "Struktur - Funktion - Prozess" erschließt das Geoökosystem des Bildausschnitts in optimaler Weise.

Für den Unterricht ist das Verfahren "Struktur - Funktion - Prozess" von hohem methodischen Ertrag:
- Die Modellbildung setzt beim direkt "erfahrbaren" Objekt an und führt dann schrittweise zu einem statischen und einem dynamischen geoökologischen Modell.
- Die Vernetzung von Messaussagen und Fremdinformationen durchzieht die Arbeit.
- Gleichzeitig werden neue Bewertungsmaßstäbe eingeübt.

Wo beginnt die Arbeit?
Die Überprüfung der Messdaten und die Bildverarbeitung sind in diesem Stadium der Arbeit bereits erledigt (Recherche, Systeme und Sensoren, Bildverarbeitung).
Eine Checkliste listet die Eigenheiten der zu interpretierenden Bildmaterialien nochmals auf. Hiermit sollte eine Bildinterpretation stets beginnen.
1.
Aufnahmesystem
--- Die optische Erkennbarkeit von Objekten ist von der Auflösung abhängig.
--- Die spektrale Erkennbarkeit gibt an, wellches Licht welche Aussage zulässt.
2.
Aufnahmezeitpunkt und Breitenlage
--- Angaben zur Jahreszeit, Tageszeit und Breitenlage erlauben Rückschlüsse auf die Strahlungsintensität
--- Angaben zum Jahr sind für einen langfristigen Vergleich notwendig
3.
Welche Spektralkanäle wurden wie verarbeitet?
--- Skalierte Bilder brauchen eine geeignete Legende
--- RGB-Komposite haben spezielle Informationsschwerpunkte: RGB= (321), (341), (543), (432)
--- Unüberwachte Klassifikationen und Hauptkomponenten-Transformationen liefern keine Inhalte für den Beginn einer Interpretation, sie helfen erst bei der späteren Evaluation
--- Überwachte Klassifikationen liefern Details zur Verteilung bekannter Objekte
4.
Welche Präsentationsformen der Messdaten liegen vor?
--- Mosaike und Quicklooks geben nur zu Großräumen Informationen, Atlasarbeit ist angesagt.
--- Multispektrale Komposite hoher und höchster Auflösung geben Detailauskunft, brauchen aber gute Zusatz-Informationen aus einer anderen Quelle.
--- Skalierte Bilder liefern zwar flächendeckend Einzelmesswerte, der Bezug zum Gesamtbild muss aber erst erstellt werden.
--- Multitemporale Komposite bzw. Animationen vermitteln Veränderungen eines Sachverhalts, was erst noch zum Gesamtbild in Bezug gesetzt werden muss.


Jetzt folgt das eigentliche Ausforschen des Bildes/der Bilder. Dabei gibt es grundlegend neue Probleme.
Unsere Wahrnehmung im Gelände, in unserer realen Welt, wird primär von Formen, Strukturen und Texturen  aus dem Blickwinkel unserer Augen in etwa 150 cm über dem Boden gesteuert erst sekundär von Farben. Die Farben oder Helligkeitsstufen sprechen eher unser Gefühl an.
Wie erkennen wir eigentlich ein Objekt?
Was unterscheidet einen Apfelbaum von einer Kastanie? Es ist die Form und nicht die Farbe!
Die wiedererkannte Form hilft am besten bei der Identifizierung von Objekten (Haus, Kirche, Apfelbaum oder Zypresse).
Der Kontext, das Nebeneinander, das Ensemble liefert sehr starke Hinweise darauf, mit welcher Objektgruppe wir es zu tun haben (Flussgebiet, Siedlung, Agrargebiet).
Über Texturen und Schatten können wir ähnliche Objekte wie Wald, Wiese oder Mais voneinander trennen.

Die Strukturen (Häuser, Kirche, Baum, Zaun) und Stimmungen (Lichtintensität) werden erkannt, die Bildelemente sind zumeist klar definiert (gewohnte Sichtweise) und weitgehend unabhängig von der Farbgestaltung identifizierbar.

Bei Farbkompositen der Satellitengeographie werden diese Erkennungsstrategien weitgehend ungültig:
Von oben ist eine Baumform nicht mehr erkennbar, das Nebeneinander und das Ensemble von Objekten ist in der Aufsicht nur schwer auszumachen. Andere Strukturen, Texturen und Farben beherrschen das Bild bei der Sicht von oben. Damit kann der Mensch, im Gegensatz zum Vogel, nur nach längerem Training sicher umgehen.

Die zentrale Frage der Bildinterpretation bleibt:
Was steckt in einem Bild?
Um dies zu ergründen bedarf es einer systematischen Vorgehensweise:
Auf was muss ich achten? Wie sieht etwas aus? An welche Themenkreise muss ich denken?
Welche Strukturen, Funktionen oder Prozesse sind in einem Abbild der Landschaft erkennbar?
- Strukturen sind die sichtbaren Elemente, sie müssen nur identifiziert werden.
- Funktionen beschreiben das Zusammenwirken der Strukturelemente, sie werden interpretativ aus den vorhandenen Strukturen gefolgert (z.B. spezielle Agrarlandschaftsformen).
- Prozesse erklären einen Struktur- bzw. Funktionswandel (z.B. Zerstörung einer Landschaft durch Bergbau, Industrie, Energiewirtschaft).


Die Suche nach Strukturen, Funktionen und Prozessen lässt beim Bearbeiter ein Modell vom untersuchten Geoökosystem entstehen. Da ein Geoökosystem extrem komplex ist, sollte man sich bei der Bearbeitung auf einen wichtigen Teilaspekt beschränken.
Man kommt damit zwangsläufig auf Modell-Typen:
-
Entstehungsmodell mit historischem oder geomorphologischem Schwerpunkt
-
Funktionsmodell mit wirtschaftlichem bzw. geoökologischem Schwerpunkt
-
Veränderungsmodell mit sozialgeographischen Ansätzen
-
Gefährdungsmodell mit Inhalten der Hazard-Forschung

Die Vorgehensweise bei der Entwicklung eines solchen Modells erfolgt stets nach ähnlichem Muster.
Am Anfang steht das
Erkennen eines verfolgenswerten Problems. Da braucht es oft Hilfestellungen vom Profi. Der zweite Schritt besteht im Assoziieren mit schon bekannten Wissensinhalten. Der stete Vergleich zwischen verschiedenen Bildmaterialien führt auf die grundsätzlichen Fragestellungen. Dann gilt es eine oder evtl. auch mehrere Arbeitshypothesen aufzustellen. Das sind genau formulierte Vermutungen, warum ein Sachverhalt gerade so und nicht anders aussieht. Nach diesem Schritt gilt es nun diese Arbeitshypothesen zu verifizieren.

Ein Beispiel vom Gardasee versucht das Entstehungsmodell mit historischem und vor allem mit geomorphologischem Schwerpunkt umzusetzen. Ein ähnlicher Weg wird beim Beispiel La Palma - Erforschung einer Vulkaninsel beschritten.


Weiter zur sachgerechten Identifizierung von Objekten (=Strukturen) im Satellitenbild.

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